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Ein Stück deutsch-afrikanischer Literaturgeschichte

Der wertvolle Nachlass von Janheinz Jahn ist im Humboldt Forum zu sehen

Briefe, Bücher, Fotos und Audiodateien aus dem Nachlass von Janheinz Jahn (1918 bis 1973) werden Teil der Auftaktveranstaltung der Humboldt-Universität im Humboldt Labor sein. Sie werden Einblicke in ein Kapitel kulturpolitischer Geschichte kurz vor und nach der Dekolonisation Afrikas in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts geben.

Wer war Jahn? Ab den 1950er Jahren bis zu seinem Tod war er der wichtigste deutschsprachige Sammler und Vermittler von Literaturen aus Afrika und der afrikanischen Diaspora. Sein Nachlass befindet sich in Besitz der Humboldt-Universität und wird unter der wissenschaftlichen Leitung von Susanne Gehrmann, Professorin für Afrikanische Literaturen und Kulturen am INSTITUT FÜR ASIEN- UND AFRIKAWISSENSCHAFTEN, zurzeit rearchiviert und zur Digitalisierung vorbereitet. Jahn korrespondierte mit über 600 afrikanischen, US-afroamerikanischen, karibischen und lateinamerikanischen Autoren. Die Ausstellung – kuratiert von Dr. Ibou Diop unter der Leitung von Dr. Gorch Pieken – wird Faksimile dieser Korrespondenz zeigen.

Jahns Werke waren Weltbestseller

Die von Jahn herausgegebenen Anthologien, allen voran die Gedichtsammlung Der Schwarze Orpheus, und seine eigenen Monographien – insbesondere Muntu. Umrisse der neoafrikanischen Kultur – wurden in viele Sprachen übersetzt und waren Weltbestseller. Zum ersten Mal wurde moderne Dichtung aus Afrika und der afrikanischen Diaspora einer breiteren deutschen Leserschaft zugänglich gemacht, „in einem Land, in dem man nach zwölf Jahren Hitler-Propaganda die kulturellen Errungenschaften nicht-weißer Völker ignoriert“, wie es Jahn in einem Brief an den afrokaribisch-französischen Schriftsteller und Politiker Aimé Césaire schrieb. Zu seinem Lebenswerk wurde Jahn durch einen Vortrag inspiriert, den der spätere senegalesische Präsident Léopold Sédar Senghor in Frankfurt hielt. Jahn hörte auf der Veranstaltung erstmalig auf Französisch verfasste Werke von Dichtern wie Aimé Césaire, Léon Damas, Birago Diop und Paul Niger. Er war begeistert und widmete sich seither der Sammlung von Literatur der Négritude und anderer afrikanischer Literaturen in europäischen Sprachen.

Césaire, Damas und Senghor waren die Begründer und Hauptvertreter der Négritude, die eine kulturelle wie politische Bewegung gegen das kolonisierte Denken war. Césaire erklärte den Begriff in einem von Jahn aufgezeichneten Interview 1967 folgendermaßen:

„…Negritude ist in erster Linie das Gefühl, dass es etwas Gemeinsames für alle Schwarzen gibt, die über die ganze Welt verstreut sind. Ein Gefühl der Solidarität zwischen Schwarzen in Afrika, Schwarzen in Westindien, Schwarzen in Brasilien und Schwarzen Amerikanern. Das Gefühl, dass wir alle eine Heimat, ein gemeinsames Erbe haben, und es ist der Wille, insbesondere das gesamte afrikanische Kulturerbe anzunehmen und es zu modernisieren und zu bereichern.“

Es waren Césaire, Senghor, Damas und andere Schwarze Intellektuelle, die den „Ersten internationalen Kongress der Schwarzen Schriftsteller und Künstler in Paris 1956“ initiierten, der letztlich von Alioune Diop, dem Gründer des bis heute wichtigen Diaspora-Verlags, organisiert wurde. Der Kongress war ein Fanal der Selbstermächtigung der afrikanischen Völker. Es wurde über die Négritude und den kulturellen und politischen Beitrag Afrikas und der afrikanischen Diaspora diskutiert. Die Teilnehmenden beriefen sich auf die Französische Revolution und forderten die gleichen Rechte, wie sie die Kolonialherren hatten. Bislang unveröffentlichte Tonband-Aufnahmen einzelner Teilnehmer des Kongresses wie Franz Fanon, Jacques Rabémananjara oder Richard Wright werden in der Ausstellung im Stadtschloss zu hören sein.

Jahnheinz Jahn: Zeichnung des afrikanischen Kontinents zur Vorbereitung des „Festival des Arts Nègres“, Dakar 1966. Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, Asien-Afrika-Wissenschaften: Jahnheinz Jahn-Archiv, unsigniert.

Panafrikanische Kulturfestivals Thema im Humboldt Labor

Weitere Meilensteine der afrikanischen Identitätsfindung waren zwei große panafrikanische Kulturfestivals. Im April 1966, sechs Jahre nachdem die meisten Kolonien unabhängig geworden waren, begrüßte Präsident Sédar Senghor in Dakar Schwarze Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt zu einem großen „Festival Mondial des Arts Nègres“, zum ersten Festival der Schwarzen Künste in Afrika. Aber nicht nur junge Afrikaner, auch Nachkommen von Sklaven aus Brasilien, der Karibik und vor allem aus den USA, unter ihnen war beispielsweise Langston Hughes, bedeutender Dichter und Schriftsteller der afroamerikanischen Künstlerbewegung Harlem Renaissance, mit dem Jahn ebenfalls korrespondierte, oder die Tänzerin Josephine Baker. Auch Jahn war anwesend.

Drei Jahre später, im Sommer 1969, fand das First Panafrican Festival in Algier statt. Während das Festival in Dakar eher auf Versöhnung und Annäherung setzte und die Négritude zum Leitmotiv machte, wurden in Algerien politisch forschere Töne angeschlagen – in bewusster Abgrenzung zur westlichen Welt und orientiert am Sozialismus und der Sowjetunion. Das Festival, an dem beispielsweise die Sängerin Miriam Makeba teilnahm, bot so unterschiedlichen Vertretern wie den Black Panthers aus den USA und der „palästinensischen Befreiungsbewegung El Fatah“ eine Plattform. Die Négritude wurde hier marginalisiert und an den Rand gedrängt. Thematisiert werden diese beiden bedeutenden Festivals auch im Humboldt Forum – mit Fotos, Programmheften und Plakaten aus dem Jahn-Archiv.