Auch die Studierenden von Petra Anders, Professorin für Deutschunterricht und seine Didaktik in der Primarstufe am Institut für Erziehungswissenschaften, haben Ideen entwickelt, wie sie Schüler*innen ansprechen – in ihrem Fall Fünftklässler*innen einer Grundschule in Berlin-Reinickendorf. Sie betten den Ausstellungsbesuch in eine Mischung aus Escape-Room-Erzählung und Schatzsuche. „Wir nehmen die Schüler*innen erst einmal mit auf eine Fantasiereise, damit sie gedanklich loslassen können. Wir stranden gemeinsam auf einer einsamen Insel, wo Forschende leben, die bestimmte Entdeckungen gemacht haben“, erzählt die Deutschdidaktik-Professorin. Jeweils zwei Schüler*innen beschäftigen sich dann mit einem Ausstellungsobjekt, zu denen die Studierenden auch Auszüge aus Kinderbüchern vorlesen. An einer Vitrine mit historischen Apfelmodellen geht es beispielsweise um Artenvielfalt. Eine andere Gruppe hat ein Schuppentier-Exponat gewählt. Seine Artgenossen konnten wegen der Pandemie nicht mehr aus Südamerika exportiert werden, erzählt Petra Anders. „So ist eine vom Aussterben bedrohte Art durch eine Krise gerettet worden.“
Auch zu Herders Tagebuch haben die Studierenden eine Station vorbereitet. „Erst gab es eine Diskussion, ob Kinder überhaupt an so einem historischen Tagebuch Interesse haben. Aber natürlich lesen sie ,Gregs Tagebuch‘ und haben zu dem Format ganz viele Verbindungen.“ Von dem Objekt ausgehend diskutieren die Studierenden mit den Fünftklässler*innen über den Sinn des Schreibens. Warum hält man seine Gedanken fest, um der Nachwelt etwas mitzuteilen? „Das war wichtig, weil die Lehrerin meinte, dass die Kinder sehr ungern schreiben“, erzählt Petra Anders. Am Ende lösen die Schüler*innen Rätsel zu ihrer Station und bekommen einen Schlüssel. Gemeinsam können sie damit die Ketten lösen, die um eine Schatztruhe voller Süßigkeiten und Souvenirs aus dem Humboldt Labor gespannt sind.
Beide Seminare sollen es Studierenden ermöglichen, sich in einem außeruniversitären und außerschulischen Umfeld auszuprobieren und sich auf bestimmte Zielgruppen einzustellen. Viele der Reinickendorfer Schüler*innen kämen nur selten aus ihrem Bezirk heraus, sagt Petra Anders. „Sie waren noch nie am Alexanderplatz, am Berliner Dom oder im Humboldt Forum.“
Doch nicht nur Schüler*innen entdecken Neues. „Für mich war die Idee unglaublich reizvoll, in einem Museum mein Seminar halten zu können“, sagt Petra Anders. Denn auch die Studierenden seien nicht unbedingt museumsaffin. Außerschulische Lernorte spielten zwar im Studium regelmäßig eine Rolle. „So ein Bildungsangebot in einem Museum zu gestalten, ist jedoch nichts Alltägliches“, sagt Oliver Musenberg. „Dass wir umgeben von den Objekten im Humboldt Labor arbeiten können, war sehr besonders. Das war das intensivste Seminar, das ich seit langem gegeben habe“, erzählt Petra Anders. Ermöglicht worden sei dies durch die engagierten Mitarbeiter*innen im Humboldt Labor.
Ideen, was nächstes Mal noch besser laufen könnte, gibt es trotzdem. Es bräuchte mehr Zeit, um über Lösungen zu sprechen, nicht nur über Krisen, sagt Anders. „Ich als Fünftklässlerin wäre wahrscheinlich nach Hause gegangen und hätte gedacht: Was ist das nur für eine Welt, so voller Krisen?“ Es sei für die Schüler*innen wichtig, mögliche kleine Schritte zu besprechen, um aus der Misere rauszukommen.
Denkimpulse ergeben sich aus den Projekten nicht nur für Schüler*innen und Studierende, auch die beteiligten Institutionen profitieren davon. Im Zuge der sogenannten Third Mission arbeiten Universitäten immer stärker an der Vernetzung mit anderen gesellschaftlichen Bereichen. „Ich denke, dass die Universität in die Gesellschaft hineinragen und -wachsen sollte. Gerade für das Grundschullehramt liegt es auf der Hand, dass das, was wir machen, nie im Elfenbeinturm verhandelt wird. Wir arbeiten mit Schulen zusammen und die Studierenden müssen auch lernen, mit außerschulischen Lernorten umzugehen“, sagt Petra Anders.
Mit den Ausstellungsbesuchen der Schüler*innen sind die Projekte zunächst abgeschlossen. „Die Lehrerinnen haben aber gleich gesagt, dass sie gerne auch mit den anderen beiden fünften Klassen kommen würden“, sagt die Seminarleiterin. Auf Grundlage des Seminars wolle sie ein Handbuch erarbeiten, die Konzepte für die Stationen würde sie den Verantwortlichen vom Humboldt Labor überlassen.
Oliver Musenberg hofft, dass sein Seminar Anregungen geben kann, um das Humboldt Labor als Kulturort für bisher weniger beachtete Zielgruppen zugänglicher zu machen. „Für mich steht bei dem Gedanken an Third Mission im Vordergrund, dass das Humboldt Labor Impulse aufgreift, die wichtig wären, um Menschen mit Lernschwierigkeiten anzusprechen“, sagt er. Themen wie leichte Sprache seien in Museen inzwischen sehr präsent. „Aber es gibt viele Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, die von leichter Sprache nicht profitieren, weil sie überhaupt nicht lesen können.“