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© Romuald Hazoumé, Dr. Martin Baumgart, Bonn / Foto: Martin Baumgart

Persiflage auf das Verlangen nach Exotik

Das Humboldt Labor zeigt zwei Arbeiten des beninischen Künstlers Romuald Hazoumè, der Masken aus alten Plastikkanistern baut, mit denen in seiner Heimat unter lebensgefährlichen Bedingungen Benzin geschmuggelt wird.

An dunkles, edles Holz erinnert die Farbe der Masken bei flüchtigem Hinschauen. Doch der zweite Blick irritiert: Eine von beiden trägt Glühbirnen als Hörner auf dem Kopf. Die Münder sind runde Löcher, die ihnen das Aussehen von Chorknaben verleihen. Die zweite Maske hat abstehende, gezackte Ohren. Das linke Auge ziert eine Zündkerze.
Die Details, die Romuald Hazoumè anbringt, stören den ersten Eindruck traditioneller afrikanischer Kunst – und verweisen auf das Material, mit dem der Künstler arbeitet. Die beiden Masken, die im Humboldt Labor zu sehen sein werden, sind aus Benzinkanistern gemacht.

Der aus dem westafrikanischen Benin stammende Künstler nimmt mit seinen aus Schrott gefertigten Arbeiten Bezug auf traditionelle, afrikanische künstlerische Ausdrucksformen – und verspottet gleichzeitig die Erwartungen der westlichen Welt. „Er hat mal gesagt: ,Ihr erwartet von uns, dass wir Masken machen. Also mache ich Masken’“, sagt Dr. Friedrich von Bose, stellvertretender Leitender Kurator des Humboldt Labors, der Ausstellung der Humboldt-Universität im Humboldt Forum.

Die Hintergründe der Maske

Der Beitrag des renommierten Künstlers bereichere die Ausstellung aus mehreren Gründen. Einerseits seien die Masken ein Blickfang, sagt von Bose „Sie sehen verdammt gut aus.“ Doch vor allem bieten sie auf politischer, sozialer und ökologischer Ebene vielfältige Anknüpfungspunkte zu Themen der Schau mit dem Titel „Nach der Natur“.
„Die Masken evozieren das Klischee der Ursprünglichkeit und stehen für das Verlangen nach Exotik“, erklärt von Bose. Der Künstler persifliere die Begeisterung des Westens für „afrikanische“ Kunst, der allzu oft noch immer das Label „authentisch“ anhaftet.

Die Masken stellen auch im Gesamtkontext des Hauses einen Diskussionsbeitrag dar. „Wir sind hier im Humboldt Forum, wo die Frage nach der Geschichte ethnologischen Sammelns und Ausstellens viel diskutiert wird“, sagt von Bose. In dem Berliner Schloss-Neubau sollen insgesamt 20.000 Exponate aus Asien, Afrika, Amerika sowie Ozeanien gezeigt werden. Sie stammen aus den reichhaltigen Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin. Das führte zu kontroversen Diskussionen über die Herkunft von Ausstellungsstücken, mögliche Restitutionsansprüche und den Umgang mit ethnologischen Sammlungen im Allgemeinen. Ein Beispiel sind die wertvollen Benin-Bronzen, Skulpturen aus Westafrika, die während der Kolonialzeit im Rahmen der britischen Eroberung des Königreichs Benin 1897 geraubt wurden und von denen ein beträchtlicher Teil in den Jahren darauf in den Besitz deutscher Völkerkundemuseen gelangte. Die Bronzen sind ein besonders prominentes Beispiel in der Diskussion um die Rechtmäßigkeit des Besitzes von Kunstwerken, die im kolonialen Kontext geraubt worden sind.

© Romuald Hazoumé, Dr. Martin Baumgart, Bonn / Foto: Martin Baumgart

In den Benzinkanistern der Maske „Bénin“ von Romuald Hazoumé wurde Benzin aus dem großen, Erdöl produzierenden Nachbarland Nigeria nach Benin geschmuggelt.

Die im Humboldt Labor ausgestellten Hazoumè-Masken können auch im Kontext dieser Debatten gelesen werden. Es gehe jedoch nicht darum, über die Nachbar-Ausstellungen zu urteilen, sondern um kritische Denkanstöße zur Debatte, erklärt der Kurator.
Romuald Hazoumè, 1962 in Benin geboren, wurde hierzulande unter anderem durch seinen Beitrag bei der documenta 12 in Kassel bekannt, wo er neben Masken auch ein aus löchrigen Plastikkanistern bestehendes Flüchtlingsboot ausstellte.
Die Benzinkanister, mit denen Hazoumè arbeitet, sind ein Symbol für die wirtschaftliche und soziale Lage seiner Heimat. In ihnen wird Benzin aus dem großen, Erdöl produzierenden Nachbarland Nigeria nach Benin geschmuggelt. „Die Kanister werden oft aufgeblasen. Dadurch werden sie größer, aber auch dünnwandiger und fragiler“, erzählt Friedrich von Bose. Die Behälter zu transportieren kann lebensgefährlich sein, weil sich austretendes Benzin zu entzünden droht.

Der Bezug zur Umwelt

Im Gegensatz zu traditionellen, aus Holz gefertigten Masken sind diese Kunstobjekte biologisch nicht abbaubar. Mit der Wahl des Materials thematisiert der Künstler auch die Probleme globaler Abfallwirtschaft und den Raubbau an der Natur. Damit wird der inhaltliche Bogen auch zu anderen Exponaten der Wissenschaftsausstellung geschlagen, die sich mit den Herausforderungen des Anthropozäns beschäftigt.

Hazoumè arbeitet mit Abfall, den Europäer*innen nach Afrika transportieren. „Für sie ist Afrika nicht mehr als eine Müllhalde, auf die sie alles kippen, was sie loswerden wollen. Sie wissen nichts von unserem Stolz und nichts über unsere Kultur. Im Grunde nehme ich eine Umwertung des Materials vor, das als Müll bei uns ankommt, indem ich daraus Kunstwerke mache“, sagte Hazoumè vor einigen Jahren in einem Interview mit dem Magazin „KUNSTFORUM International“. Für von Bose sind die von Hazoumè angesprochene globale Abfallwirtschaft und die Umwertung des Materials weitere interessante Facetten in der Diskussion um Provenienz und die noch heute andauernden kolonialen Machtstrukturen.
Inzwischen werden Hazoumès Arbeiten auf dem internationalen Kunstmarkt zu hohen Preisen gehandelt.

„Ich selbst habe seine Kanistermasken zum ersten Mal Anfang der 2000er im Museum für Völkerkunde in München gesehen“, erzählt Friedrich von Bose. Damals sei die Ausstellung solcher Arbeiten in einem deutschen ethnologischen Museum eine Besonderheit gewesen. Durch die Vermittlung der Münchner Kunsthistorikerin Dr. Daniela Roth hat der Kurator Kontakt zu Martin Baumgart bekommen, einem Freund des Künstlers, der als Biolandwirt in der Nähe von Bonn arbeitet. Er stellt dem Humboldt Labor die beiden Geschenke von Hazoumè als Leihgabe zur Verfügung.
Wie 37 andere, besondere Ausstellungsstücke werden die Arbeiten an sogenannten Pantografen, schwebend im großen Saal der Schau, gezeigt. Eine der beiden Masken werde von hinten beleuchtet, sodass ein eingeritztes Muster sichtbar werde, erzählt Friedrich von Bose.
Beide Masken seien frühe Arbeiten aus den 1990er-Jahren. Eine heißt „Benin“, die andere „Hoffnung für Bonn“. Hazoumè habe sie seinem Freund geschenkt, nachdem Berlin Bonn als Regierungssitz abgelöst hat, erzählt der Kurator. Die Masken berühren damit nicht nur internationale, sondern auch innerdeutsche Geschichte.

Romuald Hazoumé, Dr. Martin Baumgart, Bonn / Foto: Martin Baumgart

Maske „Hope for Bonn“ von Romuald Hazoumé