Fotos aus dem Hahne-Niehoff-Archiv geben Einblicke in regionale Feste und ihre volkskundliche Erfassung in den 1920er- bis in die 1940er-Jahren. Sie zeigen, welchen Zusammenhang es zwischen der Volkskunde und dem Aufstieg des Nationalsozialismus gibt.
Ein Wagen wurde zum Festumzug geschmückt. Hinten prangt ein handgemaltes Schild mit einer Hakenkreuzfahne und der Aufforderung: „Esst Deutsches Obst“. Das Foto aus dem Jahre 1933 ist eines von insgesamt 39.000 Aufnahmen aus dem Hahne-Niehoff-Archiv, das am INSTITUT FÜR EUROPÄISCHE ETHNOLOGIE der HU lagert. Das Humboldt Labor im Humboldt Forum zeigt Objekte aus dem Archiv und nimmt damit die gesellschaftspolitische Rolle der Volkskunde kritisch in den Blick. Denn neutrale Beobachter waren Hans Hahne und Heinz Julius Niehoff keineswegs, betont die Europäische Ethnologin und Historikerin Franka Schneider, die die Archiv-Ausstellung co-kuratiert. Im Gegenteil: Mit ihrerForschung haben sie den Aufstieg des Nationalsozialismus bewusst befördert.
Der Prähistoriker und Direktor der Landesanstalt für Vorgeschichte in Halle Hans Hahne hatte eine klare politische Haltung, die von Rassismus und Antisemitismus geprägt war. „Wir würden heute sagen: Er war ein völkischer Wissenschaftler“, sagt Franka Schneider. Es ging um die umfassende fotografische Inventarisation „deutscher Bräuche“. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Heinz Julius Niehoff, einem Fotografen und Dokumentarfilmer, hat Hahne zwischen 1920 und 1945 vorwiegend Feste, Trachten und bäuerliche Architektur dokumentiert. Die beiden bereisten vor allem die Gegend um Halle und belichteten dabei mehr als 1000 Kleinbildfilme. „Dabei verfolgten sie auch die politische Agenda, das ‚Eigene‘ visuell zu produzieren und hierdurch zu stabilisieren“, erklärt Franka Schneider. Ein Ziel Hahnes sei gewesen, eine vermeintliche Kontinuität zwischen germanischem und deutschem Brauchtum zu konstruieren. „Er war einer derjenigen, der bereits Anfang der 1920er-Jahre die völkischen Ideen zum ‚deutschen Volkstum‘ und ‚nordischen Bluterbe‘ popularisiert und später für den Nationalsozialismus nutzbar gemacht hat“, erklärt sie.
Hans Hahne habe auf den Festen selbst Reden gehalten und seine völkischen Ansichten vor Ort verbreitet. Wie wenig er zwischen seiner Rolle als Wissenschaftler und seiner nationalsozialistischen Gesinnung unterschied, ist auch auf Fotos dokumentiert. Auf einer Aufnahme ist sein rechter Arm zu sehen, der sich zum Hitlergruß von hinten ins Bild schiebt.