Ausstellung
10.10.2025

On Water. WasserWissen in Berlin

Wasser ist Leben, kann aber auch zerstören. Die Ausstellung „On Water. WasserWissen in Berlin“ zeigt ab dem 10. Oktober 2025 im Humboldt Labor aktuelle Forschungsprojekte des Berliner Universitätsverbundes Berlin University Alliance (BUA) zum Thema Wasser. Flankiert werden diese durch künstlerische Positionen, die sich mit dem Element Wasser auseinandersetzen und dessen Vielseitigkeit anschaulich vermitteln.

„Eis-Stupa“. Die künstlich geschaffenen Eiskegel dienen im Himalaya zur Speicherung von Schmelzwasser.

© Lobzang Dadul, Courtesy of Sonam Wangchuk

„Eis-Stupa“. Die künstlich geschaffenen Eiskegel dienen im Himalaya zur Speicherung von Schmelzwasser.

Ohne Wasser kein Leben, heißt es. Aber auch das Gegenteil ist wahr: Zu viel Wasser kann verheerend und zerstörerisch sein. Es kommt auf die richtige Dosierung an. Zwar sind die Eigenschaften von Wasser bekannt, solange man sich in vertrauter Umgebung bewegt. Sobald man jedoch in andere Dimensionen und Regionen gelangt, wird Wasser zu einer Herausforderung – auch für die Wissenschaften. Wasser ist kein passiver Forschungsgegenstand, sondern ein mächtiges Gegenüber, das dazu auffordert, wissenschaftliche und gesellschaftliche Praktiken neu und anders zu denken. Eingebettet in einen Parcours vom Meer bis zu den Sternen, vom Strudel bis zum künstlichen Eisberg präsentiert die Ausstellung On Water. WasserWissen in Berlin Forschungsprojekte des Berliner Universitätsverbunds, die sich mit dem Element Wasser auseinandersetzen. So unterschiedlich die Forschungen auch sind, stellen sie doch allesamt Versuche dar, von den erstaunlichen Eigenschaften des Wassers zu lernen und mit ihm Wege zu finden, den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft gerecht zu werden.

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Hintergrund
Ein Zuviel oder Zuwenig von Wasser kennzeichnet die Gegenwart: Kreisläufe und Systeme, die lange als selbstverständlich galten, sind verschoben, irritiert, verletzlich. Die Störung des aquatischen Gleichgewichts fordert auch die Wissenschaft heraus. Die Ausstellung „On Water“ zeigt, dass keine Wissenschaft alleine in der Lage wäre, die Komplexität der mit ihm verbundenen Zusammenhänge zu erfassen. Oft ist es erst das Zusammenwirken unterschiedlichster Wissensformen, das zum Verständnis und zu neuen Lösungen führt. Hierzu zählt das voneinander Lernen der verschiedenen, meist hoch spezialisierten Fachwissenschaften; sowie der Austausch und das Gespräch mit den Menschen, die in konkreten Traditionen und Erfahrungen leben und hierin ein Wissen eigener Art mitbringen. Es gehört zu den großen Herausforderungen der Zukunft, Formen des Dialogs und des Miteinanders zu etablieren, die geeignet sind, einander auf Augenhöhe zu begegnen.

Wasser für Alle: Aktivist:innen auf dem Weltwassertag am 22.3.2025 in Berlin.

© Humboldt-Universität zu Berlin / Humboldt Labor, Foto: Philipp Plum

Wasser für Alle: Aktivist:innen auf dem Weltwassertag am 22.3.2025 in Berlin.

Das Motiv des Wassers hat hierbei auch eine epistemologische Dimension: Einen Gegenstand isoliert zu betrachten, um verlässliches Wissen zu schaffen, ist bewährte methodische Praxis. Zugleich bedeutet diese Isolierung jedoch immer auch einen Verlust an Kontextwissen. Darum sind heute viele innovative Forschungsfelder von dem Anliegen geprägt, zu starre Setzungen, die oftmals am Anfang positiver Wissensproduktion stehen, zugunsten komplexerer Modelle zu verflüssigen und dadurch die einzubeziehenden Kontexte zu erweitern. Die Grundlagen zur Orientierung werden dadurch einerseits unsicherer, andrerseits scheinen sie geeigneter, die Veränderungsprozesse in Natur und Gesellschaft darzustellen und zu verstehen. Das Motiv des Verflüssigens verliert seine metaphorische Dimension, wenn es darum geht, Erscheinungsformen des Wassers als eigener Akteur in einem komplexen Geschehen zu beschreiben. Oftmals geht es dabei um ein Austarieren der Kräfte und Quantitäten. Wissenschaftliche Forschung erscheint vor diesem Hintergrund als der Versuch, Ungleichgewichte, drohende irreversible Kipppunkte und destruktive Asymmetrien durch gezielte Maßnahmen zu korrigieren und hierin vom Wasser in seinen vielfältigen Verflechtungen mit Mensch, Natur und Technik zu lernen. Konsequent eingenommen, verspricht diese Perspektive Lösungskonzepte für grundlegende Herausforderungen der Gegenwart, sei dies auf der Ebene der Grundlagenforschung oder der konkreten Anwendungspraxis im lokalen wie im globalen Zusammenhang.

Ein Pate bei der Konzeption der Ausstellung ist der Ethnologe und Sprachwissenschaftler Franz Boas (1858–1942), dessen interdisziplinäre und explizit kulturrelativistische Perspektive richtungsweisend war und ist für die Herausforderungen transdisziplinärer Forschung im lokalen wie globalen Maßstab. Seine in der Physik entstandene Doktorarbeit „Beiträge zur Erkenntnis der Farben des Wassers“ (1881) stellt mit seiner Verbindung von erzählenden wie mathematischen und technischen Aspekten ein markantes Beispiel für den auch für die Ausstellung leitenden Gedanken dar, abstrakte Fragestellungen mit anschaulichen Motiven zu verbinden. Auch sein 1886 gehaltener Vortrag zur Habilitation an der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin, „Die Eisverhältnisse des arktischen Ozeans“, widmete sich wieder dem Wasser, nun aber als Geograf und von vornherein anthropologisch orientiert. Boas‘ lebensweltliches Motiv der Farbigkeit des Wassers bildet ein Grundmotiv für die Potenziale und Grenzen der Verallgemeinerung von Wissen.

Vom Wasser lernen: Durch Wissenschaft und mit den Mitteln des Designs.

© What if the Ocean Were a City, Exhibition, Prototype: Syntopolis II, Design: Rasa Weber, Codesign: Marie Drouet & Antoine Campana, re:futurel lab, __matter Festival 2025. Photo: Michael Pfisterer.

Vom Wasser lernen: Durch Wissenschaft und mit den Mitteln des Designs.

Aufbau der Ausstellung
Die Ausstellung entwickelt ihre Argumentation entlang lebensweltlicher Motive der Begegnung mit dem Wasser: im Meer, an der Küste, in der Stadt, im Fluss, im Bad u.w.m. Auf allen diesen Ebenen gilt es, das Zuviel oder Zuwenig von Wasser auszugleichen. Die Ausstellung macht so anhand exemplarischer Forschungsprojekte Wissenschaft lebendig und anschaulich. Forschende der Berlin University Alliance beschäftigen sich zum Beispiel mit Pfützen in der Stadt, mit Strudeln in Flüssen und Straßenbrunnen in Berlin, mit dem Schmelzen der Gletscher in den Alpen, der Badewanne als therapeutischem Ort oder dem Leben an und in Flüssen. Die Stimmen der Wissenschaftler:innen werden in Form einer Audiospur hörbar, in der diese von ihrer Faszination für ihre Forschung zum und mit dem Wasser erzählen. So wird erfahrbar, wie vielfältig und komplex sich das WasserWissen in Berlin darstellt. Aber nicht nur dort: Die Ausstellung präsentiert auch ausgewählte Forschungsprojekte, die sich mit Lösungen für die Wasserknappheit in Ägypten und Kurdistan beschäftigen und dabei lokales Wissen berücksichtigen. Darüber hinaus wird eine juristische Initiative gezeigt, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie die Spree Rechte bekommen könnte. Über die vielen Forschungsprojekte hinweg deutet sich ein verändertes Verständnis von Wissenschaft an, das die Dynamik und Eigenlogik von Wasser ernstnimmt und auch die Grenzen des Wissens anerkennt. Wissenschaft beginnt, sich an das Wasser anzuschmiegen.

Die Spree als Akteur im Rahmen des Weltwassertags 2025.

© Humboldt-Universität zu Berlin / Humboldt Labor, Foto: Philipp Plum

Die Spree als Akteur im Rahmen des Weltwassertags 2025.